Text: Mads Westermann Foto: Anders Beier
„Bier ist der Beweis, dass Gott uns liebt und möchte, dass wir glücklich sind.“ Dieses Zitat wird häufig dem amerikanischen Staatsmann Benjamin Franklin zugeschrieben. Ob die Worte tatsächlich von ihm stammen oder eher ein Fragment einer leicht angetrunkenen Sonntagspredigt eines Landpfarrers sind – die Botschaft bleibt unbestreitbar wahr.
Denn was könnte ein deutlicherer Beweis für höhere Mächte sein als ein gut eingeschenktes Bier an einem sonnigen Tag, wenn der Himmel blau ist und die Welt für einen kurzen Moment noch sinnvoll und geordnet erscheint? Golden, perlend und voller Geschmacksnuancen, die Erinnerungen wecken und Assoziationen hervorrufen.
Nur wenige Orte in Dänemark bieten eine so vielfältige Bierkultur wie Bornholm. Und im Verhältnis zur Einwohnerzahl gibt es nirgendwo sonst so viele Mikro- und Kleinstbrauereien. Die Insel ist ein wahres Paradies für Bierliebhaber – mit allem von bernsteinfarbenen Pilsnern mit sanfter Bitterkeit bis hin zu Stouts, so dunkel wie eine bornholmsche Winternacht.
Das bornholmsche Bierabenteuer begann in Svaneke. Im Jahr 2000 wurde in einem alten, vierflügeligen Kaufmannshof am Stadtplatz begonnen, Bier zu brauen. Bald wurde der Platz zu klein, und die Brauerei zog – wie einst Carlsberg – auf einen Hügel am Stadtrand. Dort wird nach dem Prinzip des „Slow Beer“ gebraut. Die Dinge brauchen Zeit. Es wird nicht filtriert, keine unnötigen Zusatzstoffe. Und man schmeckt in jedem Tropfen den Stolz und die Seele des Braumeisters.
Aber nicht nur in Svaneke ist die bornholmsche Bierwelle spürbar. In einem Hinterhof am Hafen von Rønne liegt die Small Batch Brewery. Wie der Name schon sagt, wird hier in kleinen Chargen gebraut. Aus einem Hobbyprojekt ist eine Institution geworden. Es wird mit Geschmacksrichtungen experimentiert, die konservative Pils-Trinker erschaudern lassen. Hier gibt es ein Kaffeestout, das deinen Morgenkaffee wie Moorwasser erscheinen lässt, und ein IPA mit dezenter Bitterkeit, das wie eine Sommerwiese schmeckt.
In Tejn, direkt am Hafen, liegt das Penyllan Brewery – mehr ein Bierlabor als eine Brauerei. Hier wird mit Wildhefen und Fassreifung experimentiert, dass es fast an Alchemie erinnert. Es entstehen einige der komplexesten und vielschichtigsten Biere Dänemarks. Tief, weinartig, sauer und oft ziemlich eigen – aber wer sich traut, erlebt eine Offenbarung. Penyllan ist kein Ort für ein schnelles Bier – es ist ein Erlebnis, dem man sich hingibt, während man auf Palettenmöbeln in der Sonne sitzt und dem Treiben im Hafen zusieht.
Direkt daneben, unter derselben Leitung, befindet sich Beer Here. Der Braumeister dort weigert sich, sich zu langweilen. Hier entstehen Geschmacksexplosionen in alle Richtungen – Biere, die man entweder liebt oder hasst. Dazwischen gibt es nichts. Beer Here kreiert eigenwillige Biere mit Charakter und der Fähigkeit zu überraschen wie kaum ein anderes.
Und schließlich, für alle, die Überraschungen lieben: Chrøøl. Eine Brauerei mit einem Namen, der wie das Rülpsen eines Teenagers nach zu vielen Billigbieren klingt – aber das Bier ist wirklich etwas Besonderes.
Auf Dänemarks militärischer Faust im Osten, Christiansø, befindet sich die abgelegenste Brauerei des Landes. Hier brauen der Inselarzt und seine Frau göttliche Biere in winzigen Mengen. Es wird mit Zutaten und Geschmacksrichtungen experimentiert, die es sonst nirgends gibt: Karotten, Rote Bete und anderes Wurzelgemüse landen im Braukessel und verleihen dem Bier seinen einzigartigen Charakter und eine Prise bornholmschen Wahnsinn.
Und nun zur wichtigsten Frage: Wo genießt man diese flüssigen Köstlichkeiten am besten? Natürlich direkt in den Brauereien. Alle bieten Führungen und Verkostungen, vor allem im Sommer. Noch schöner ist es aber, das Bier mit in die Natur zu nehmen. Man kauft ein paar Flaschen vor Ort oder im Supermarkt und zieht los. Zum Beispiel nach Svenskehavn an der Südostküste – ein perfektes Felsen-Meer-Panorama zum Biergenuss. Oder man wandert durch das Blåskinsdal und setzt sich am Ende des Weges mit Blick auf das Vogelfelsen-Naturreservat. Beide Orte sind bestens geeignet, um über die großen Fragen des Lebens nachzudenken – etwa: Soll ich noch ein Bier trinken?
Und das Wichtigste: Man nimmt die Flaschen wieder mit. Denn wenn Bier wirklich der Beweis für Gottes Liebe ist, sollten wir auch ein wenig Liebe zurückgeben – der Natur, dem Geschmack und Bornholm.